(ip/RVR) Der IX. Zivilsenat des BGH entschied die strittige Frage, ob bei der Verwertung von Absonderungsrechten die Anrechnungsvorschrift des § 367 Abs. 1 BGB auch für die seit Verfahrenseröffnung laufenden Zinsen anzuwenden sei.

Die Klägerin hatte an die spätere Gemeinschuldnerin mehrere Darlehen ausgereicht, welche mit Grundschulden gesichert waren. In der Insolvenz verwertete der beklagte Insolvenzverwalter das schuldnerische Grundstück freihändig und führte einen Betrag an die Klägerin ab, welcher nicht zur Befriedigung der Forderung und Zinsen ausreichte.

Nunmehr meinte der Verwalter, der Verwertungserlös sei vorrangig auf die Hauptforderung und die bis zur Verfahrenseröffnung angefallenen Zinsen anzurechnen, nicht jedoch auf die seit der Verfahrenseröffnung laufenden Zinsen. Folglich wäre die Hauptforderung durch Erfüllung erloschen, die restlichen Zinsen zur Tabelle festzustellen. Die Klägerin meinte hingegen, nach der Vorschrift des § 367 Abs. 1 BGB, welche auch für die Zinsen seit Eröffnung gelte, seien vorrangig die Kosten, dann die Zinsen und schließlich die Hauptforderung zu berichtigen. Dies führe in der Konsequenz nicht zu einer gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO nachrangigen Berücksichtigung der seit Verfahrenseröffnung laufenden Zinsen, da die Auskehr des Beklagten diese vollständig befriedigt hätten. Lediglich die Hauptforderung sei in Höhe des Ausfalls zur Tabelle anzumelden.

Der Beklagte unterlag letztlich in allen drei Instanzen. Der IX. Senat bestätigte das Berufungsgericht in seiner Ansicht, der Erlös sei nicht kraft Gesetzes vorrangig auf die Hauptforderung anzurechnen. „Vielmehr gilt auch bei der Berechnung des bei der Verwertung des Absonderungsguts entstandenen Ausfalls (§ 52 Satz 2 InsO) die Anrechnungsvorschrift des § 367 BGB, […]“ (Rz. 7 der Entscheidung).

Wie sich der Ausfall des Absonderungsberechtigten im Falle der freihändigen Veräußerung berechne, ergebe sich nicht aus der Insolvenzordnung. Nach auch von dem Beklagten vertretener Ansicht sei die Antwort § 50 Abs. 1 InsO zu entnehmen. Nach dessen Wortlaut seien zunächst Hauptforderung, dann Zinsen und schließlich Kosten anzurechnen. Dies entspreche dem in § 39 Abs. 1 InsO angeordneten Nachrang der seit Eröffnung laufenden Zinsen. Ob diese Vorschrift überhaupt auf den freihändigen Verkauf eines belasteten Grundstücks Anwendung finde, sei nach Ansicht des BGH gar nicht zu entscheiden, da § 50 Abs. 1 InsO ohnehin keine von § 367 Abs. 1 BGB abweichende Tilgungsreihenfolge vorsehe.

Schon nach dem Wortlaut der Norm könne die Aufzählung „Hauptforderung, Zinsen und Kosten“ kaum als Anordnung einer Tilgungsreihenfolge verstanden werden, da andere gesetzliche Bestimmungen, welche eine solche anordnen, nicht nur die Forderungsarten aufzählten, sondern deutlich machten, welche Forderung „zunächst“, welche „dann“ und schließlich welche „zuletzt“ befriedigt wird, etwa §§ 367 Abs. 1 BGB, 366 Abs. 2 BGB oder § 48 KO.

Auch der Regierungsentwurf einer Insolvenzordnung bestätige dies, da man der Meinung war, einer ausdrücklichen Wiederholung der Tilgungsreihenfolge im Bereich des Insolvenzrechts bedürfe es nicht (BT-Drucks. 12/7302, S. 160 zu § 57 Abs. 1 InsO-E).

Auch nach systematischen Gesichtspunkten sei so zu entscheiden, insbesondere bestehe kein Wertungswiderspruch in der Tatsache, dass sich die Anwendung des § 367 Abs. 1 BGB negativ auf die Insolvenzgläubiger dahingehend auswirkt, als der Absonderungsberechtigte mit der restlichen Hauptforderung an der Verteilung teilnehmen kann, was ihm bezüglich der Forderung auf nach der Eröffnung angefallenen Zinsen nach § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO verwehr wäre. Sinn des Absonderungsrechts sei es gerade, den Ausfall möglichst gering zu halten.

§ 169 InsO diene dem Schutz des Gläubigers, der sein Verwertungsrecht nach § 166 InsO verloren hat, vor den Nachteilen einer verzögerten Verwertung. Mithin gehe es hierbei nicht um die Verteilung des aus der Verwertung des Absonderungsrechts erzielten Erlöses, sondern um die Schadloshaltung des Gläubigers, womit die Zinszahlungspflicht aus § 169 InsO keinen Rückschluss auf eine Tilgungsreihenfolge zuließe.

Da nach der Verwertungsvereinbarung keine abweichende Tilgungsreihenfolge vereinbart war und eine solche auch nicht (konkludent) einseitig bestimmt wurde, sei von der Tilgungsreihenfolge des § 367 BGB auszugehen.

Das Original-Urteil kann hier abgerufen werden:

BGH vom 17.02.2011, Az. IX ZR 83/10


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