(ip/RVR) Ein Aussonderungsrecht an noch vorhandenen Restguthaben auf einem Treuhandkonto soll nach Meinung des BGH für den Treugeber dann nicht mehr bestehen, wenn der insolvente Treuhänder die eingezahlten Fremdgelder wie eigenes Vermögen behandelt hatte.

Die spätere Insolvenzschuldnerin bot Beteiligungen an einem Einlagenpool an, welche die Anleger am Erfolg oder Nichterfolg von Optionsgeschäften teilhaben lassen sollte. In Wirklichkeit erwirtschaftete sie dabei nur hohe Verluste; gefälschte Kontoauszüge und Jahresabschlüsse wiesen aber tatsächlich nicht bestehende Gewinne aus. Die Anlagen verwandte die Schuldnerin dazu, in „Schneeballsystemen“ erzielte Scheingewinne an die Anleger auszuzahlen, sowie die eigenen Geschäftskosten zu decken. Im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung standen erhebliche Teile der Einlagen offen.

Eine der Anlegerinnen hatte Einlagen auf eines der vielen „Einzahlungskonten“ geleistet. Diese waren nicht nur jeweils einem Anleger zugeordnet, sondern für Einzahlungen verschiedener Anleger bestimmt. Innerhalb dieser Konten gab es Querüberweisungen. Darüber hinaus tätigte die Schuldnerin Überweisungen auf ihre eigenen Geschäftskonten aus ihr vermeintlich zustehenden Gebühren, Gewinnbeteiligungen, Kommissionen und Agio. Auch in umgekehrter Richtung gab es Überweisungen. Schließlich betrieb die Schuldnerin verschiedene Brokerkonten zur Durchführung von Termingeschäften, auf welche ebenfalls Überweisungen von den Einzahlungskonten getätigt wurden.

Der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Schuldnerin und die Anlegerin stritten über das Bestehen eines (Mit-)Aussonderungsrechts an den sog. Kundengeldern. Die Anlegerin meinte, ihr stünde ein solches Recht zu, welches sich auf sämtliche Konten der Schuldnerin erstrecke. In den beiden ersten Instanzen wurde ihr ein „Aussonderungsrecht an ihren eingezahlten Kundengeldern“ zugestanden. Der BGH sprach ihr in der Revisionsinstanz ein Aussonderungsrecht insgesamt ab.

Der IX. Senat führte dazu aus, Aus- oder Mitaussonderungsrechte an den Guthaben der Einzahlungs- und Brokerkonten bestünden für die Anlegerin nicht.

A. Einzahlungskonten

Zwar handle es sich bei den sogenannten Einzahlungskonten um Treuhandkonten. In Anschluss an frühere Rechtsprechung könnten verbliebene Guthaben auf Konten, die auch für eigene Zwecke des Treuhänders genutzt werden, in der Insolvenz des Treuhänders nicht ausgesondert werden, auch wenn das Konto zunächst ausschließlich für Fremdgeld bestimmt war. Anders als das Landgericht meinte, könne der Treuhänder alleine die Rechtsstellung des Treugebers und damit das Aussonderungsrecht dadurch zunichte machen, sich nicht an die Treuhandabrede zu halten und treuwidrig – gleichwohl wirksam nach § 137 BGB – über das Treugut zu verfügen. Für ein Kontoguthaben gelte nichts anderes, auch mit der Folge, dass das Konto insgesamt nicht mehr dem Vermögen des Treugebers zugerechnet werden könne.
„Ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO kommt nur in Betracht, wenn der Treuhänder die Treuhandbindung im Grundsatz beachtet“ (Rz. 16 der Entscheidung).

Die Treuhandbindung ende jedenfalls dann, wenn dem Treuhänder in Wirklichkeit der Wille fehle, das Treugut für den Treugeber zu verwalten und er es stattdessen als eigenes Vermögen behandelt. Zum einen habe die Schuldnerin „Scheinprovisionen“ im wirtschaftlichen Eigeninteresse treu- und vertragswidrig auf ihre Geschäftskonten überwiesen. Zum anderen seien die Auszahlungen von „Scheingewinnen“ an bestimmte Anleger aus tatsächlich nicht erwirtschafteten Gewinnen als eigennütziges und damit treu- und vertragswidriges Verhalten anzusehen, weil damit nur der Anschein hoher Renditen aufrecht erhalten und potentielle Neuanleger nicht abgeschreckt werden sollten.

Die rein formale Übereinstimmung der Handlungen der Schuldnerin mit der Treuhandabrede sei demgegenüber nicht beachtlich, weil das Aussonderungsrecht aus der treuhänderischen Bindung, nicht deren Offenlegung folge. Die Treuhandkonten waren nach außen gerade nicht als solche gekennzeichnet. „Kommt es auf die äußere Erkennbarkeit der Vermögenszuordnung nicht an, kann der formale Anschein einer abweichenden Vermögenszuordnung gerade kein Aussonderungsrecht begründen“ (Rz. 20 der Entscheidung).

B. Brokerkonten

Auch etwaige Guthaben auf den Brokerkonten seien nicht mit einem Aussonderungsrecht behaftet. Dies folge aus zweierlei: Erstens sei auf diese Konten kein unmittelbar von den Anlegern stammendes Geld gelangt. Zweitens könnten Überweisungen der Schuldnerin nur von Konten erfolgt sein, auf denen sich aus den oben genannten Gründen kein Treugut mehr befand.

C. Kein Aussonderungsrecht aus § 384 Abs. 2 HGB

Schließlich folge auch kein Aussonderungsrecht aus § 384 Abs. 2 HBG, da kein Kommissionsvertrag vorliege. Nach dem zwischen Schuldnerin und Anlegerin geschlossenen Vertrag sei letztere nicht weisungsbefugt im Sinne von § 384 Abs. 1 Halbsatz 2 HBG gewesen.

BGH vom 10.02.2011, Az. IX ZR 49/10

© Copyright www.versthttp://www.versteigerungspool.de / RVR Rechtsanwälte Stuttgart