(ip/RVR) Während eines laufenden Insolvenzverfahrens darf eine Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 GewO hinsichtlich des zu Beginn des Konkurses ausgeübten Gewerbes nicht ergehen. Hat der Insolvenzverwalter die Fortsetzung des Gewerbes nach § 35 Abs. 2 InsO freigegeben, kann eine Gewerbeuntersagung jedenfalls nicht auf diejenigen Vermögensverhältnisse gestützt werden, die zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens geführt haben. So das Verwaltungsgericht Trier in einem Urteil Mitte April.

Der Kläger betrieb ein Restaurant, welches gewerberechtlich angemeldet war. Im Mai 2008 wurde über das Vermögen des Klägers das Insolvenzverfahren eröffnet. Hintergrund war ein Gläubigerantrag wegen nicht bezahlter Sozialversicherungsbeiträge. Die bestellte Insolvenzverwalterin teilte dem Kläger im Juni 2008 unter Bezugnahme auf § 35 Abs. 2 InsO mit, dass eine Fortführung des schuldnerischen Unternehmens zu Lasten der Masse nicht in Betracht käme, sie mithin das Unternehmen zur Fortführung freigebe. Bis September 2008 hatten sich beim Kläger Steuerschulden in Höhe von ca. 50 tEUR angesammelt. Die zuständige Behörde verfügte am 13. Januar 2009 unter Fristsetzung und Androhung von Zwangsmaßnahmen bei Nichtbefolgung eine umfassende Gewerbeuntersagung gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 und 2 GewO zulasten des Klägers und begründete diese mit dessen Unzuverlässigkeit, auf die die Nichtleistung der öffentlich-rechtlichen Abgaben und Sozialversicherungsbeiträge, mithin seine mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit hindeute und welche auch nicht auf das ausgeübte Gewerbe beschränkt sei.

Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob der Kläger am 11. Januar 2010 Klage beim VG Trier gegen den Untersagungsbescheid der zuständigen Behörde in Form des Widerspruchbescheids. Das VG gab der Klage statt. Der Bescheid verletze den Kläger in seinen Rechten.

In der Begründung gab die erkennende 5. Kammer des Gerichts dem Beklagten zunächst darin Recht, dass im entscheidenden Zeitpunkt des Widerspruchbescheids Tatsachen vorlagen, die eine Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO im Allgemeinen gerechtfertigt hätten. Nach den zu der genannten Vorschrift entwickelten Grundsätzen sei auf eine Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden zu schließen, insbesondere wegen der angefallenen Steuerschulden und Sozialversicherungsbeiträge, welche laufend im Wege der Zwangsvollstreckung beigetrieben werden mussten.

Der Gewerbeuntersagung stehe aber das eröffnete und nicht beendete (vergleiche § 200 InsO) Insolvenzverfahren und in Folge dessen auch § 12 GewO entgegen. Nach dieser Vorschrift sind unter anderem Untersagungen desjenigen Gewerbes, das zur Zeit des Antrags auf Eröffnung des Verfahrens ausgeübt wurde, während eines laufenden Insolvenzverfahrens unzulässig, wenn die Untersagung auf ungeordnete Vermögensverhältnisse zurückzuführen ist. Wegen §§ 80 Abs. 1, 81 Abs. 1, 148 InsO gehe die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das schuldnerische Vermögen auf den Verwalter über. „Demnach ist es dem Schuldner ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung aus Rechtsgründen grundsätzlich nicht mehr möglich, Verbindlichkeiten, die Rückschlüsse auf seine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit zulassen können, zu begleichen“ (Rz. 22 der Entscheidung).
Daran ändere sich entgegen der Auffassung des Beklagten nichts wegen der erfolgten Freigabe des Gewerbes durch die Verwalterin nach § 35 Abs. 2 InsO. § 12 GewO sei nicht so auszulegen, dass die Vorschrift dann keine Anwendung auf solche Vermögenswerte finden solle, wenn sie im Insolvenzverfahren freigegeben werden. Unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung führt das Gericht aus, die Gewerbeuntersagungsmöglichkeit könne dergestalt mit den Vorschriften des Insolvenzverfahrens in Konflikt geraten, als die Anwendung von § 35 Abs. 1 GewO die Entscheidung über die Fortführung des Unternehmens vorwegnehme, welche aber der Gläubigerversammlung obliege.

Außerdem scheide die selbstständige Tätigkeit, die der Verwalter nach § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO freigibt, nicht vollständig aus dem Insolvenzverfahren aus, mithin sei in der Freigabe keine Beendigung des Verfahrens im Sinne von § 12 GewO zu sehen. Denn nach §§ 35 Abs. 2 Satz 2, 295 Abs. 2 InsO ergebe sich ein Ausgleichanspruch, wonach der Schuldner Zahlungen aus der Tätigkeit an die Insolvenzmasse zu leisten habe. Ferner stehe die Freigabe- erklärung des Verwalters unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Gläubiger nach § 35 Abs. 2 Satz 3 InsO. Die Tätigkeit kann somit wieder der Insolvenzmasse zugerechnet werden und könne schon deswegen nicht völlig außerhalb des Verfahrens stehend betrachtet werden.

Ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass selbst bei einer Anwendbarkeit des § 35 GewO eine Gewerbeuntersagung jedenfalls dann unzulässig sei, wenn bei Freigabe die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit auf die vermögensrechtliche Lage des Schuldners zurückgeführt werde, die zur Eröffnung des laufenden Insolvenzverfahrens geführt hat. Da nämlich diese Tatsachen regelmäßig die Schlussfolgerung auf eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit rechtfertigen und daher stets eine Gewerbeuntersagung angezeigt wäre, liefe die Vorschrift des § 35 Abs. 2 InsO in der Praxis leer.

Rechtswidrig sei die Gewerbeuntersagung auch in der erweiterten Form des § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO, weil eine derartige Untersagung den gleichen Anforderungen wie eine solche nach Satz 1 unterliege und auch insoweit keine Gesichtspunkte erkennbar seien, die auf eine künftige ordnungswidrige Gewerbeausübung schließen lassen.

VG Trier vom 14.04.2010, Az. 5 K 11/10.TR


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