(ip/RVR) Der BGH hat im Urteil vom 14.01.2010 (IX ZR 93/09) entschieden, dass Zahlungen des Schuldners an Insolvenzgläubiger aus seinem insolvenzfreien Vermögen während der Dauer des Insolvenzverfahrens zulässig sind. Die Zahlungen müssen dabei mit Mitteln erfolgen, die nicht zur Insolvenzmasse im Sinne der §§ 35, 36InsO gehören und deshalb auch nicht der Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters nach § 80 InsO unterliegen.

Die Insolvenzordnung ist geprägt von der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung.
Daher haben die Insolvenzgläubiger ihre Forderungen zur Insolvenztabelle anzumelden; Zwangsvollstreckungen sind weder in die Masse noch in das sonstige Vermögen des Schuldners zulässig, § 89 Abs. 1 InsO.

Der Grundsatz der Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger gilt während der Dauer des Insolvenzverfahrens jedoch nur in Bezug auf die Insolvenzmasse. Sie soll der Gesamtheit der Insolvenzgläubiger zur Verfügung stehen und muss vor unberechtigten Zugriffen einzelner Gläubiger geschützt werden. Für das freie, nicht zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen des Schuldners gilt der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung im Insolvenzverfahren jedoch nicht. Freiwillige Zahlungen (nicht Vollstreckungen) des Schuldners mit Mitteln, die nicht zur Insolvenzmasse gehören (dies sind insbesondere unpfändbare Gegenstände – unpfändbare Forderungen, § 36 InsO), sind daher durch die §§ 87, 89 InsO nicht untersagt.

Der BGH hat in diesem Urteil auch entschieden, dass eine derartige Zahlung auch nicht die Obliegenheit nach § 295 Abs. 1 Nr. 4 InsO verletze. Nach dieser Vorschrift darf ein Schuldner aus Gründen der Gläubigergleichbehandlung während der Laufzeit der Abtretungserklärung nach § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO Zahlungen zur Befriedigung der Insolvenzgläubiger nur an den Treuhänder leisten und keinem Insolvenzgläubiger einen Sondervorteil verschaffen. Diese Obliegenheit bestehe jedoch nur in der Wohlverhaltensphase nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens und Ankündigung der Restschuldbefreiung. Für die während des Insolvenzverfahrens erfolgte Zahlung des Schuldners gilt sie nicht.

Bei der freiwilligen Zahlung des Schuldners hat der Schuldner zwar verfügt, jedoch betraf diese Verfügung nicht die Insolvenzmasse und ist deshalb nicht nach § 81 Abs. 1 InsO unwirksam. Zahlungen aus dem insolvenzfreien Vermögen verkürzen daher die Insolvenzmasse nicht.

Das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung wird im Insolvenzverfahren auch an einigen anderen Stellen durchbrochen. Man denke nur an die Massegläubiger, die vor den einfachen Insolvenzgläubigern befriedigt werden. Eine Sonderbehandlung genießen auch die Absonderungsberechtigten, welche vorrangig aus dem Erlös der ihnen zur Sicherheit übertragenen Gegenstände befriedigt werden.

Es können hier Fälle in Betracht kommen, in denen ein Gläubiger Leistungen, welche der Schuldner dringend benötigt, von der Begleichung rückständiger Verbindlichkeiten abhängig macht. Der Schuldner muss daher in die Lage versetzt werden, derartige Zahlungen freiwillig leisten zu können und zwar aus dem insolvenzfreien Vermögen.

Der komplette Urteilstext kann hier abgerufen werden:

BGH IX ZR 93/09