(ip/RVR) Eine Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg beschäftigte sich mit dem Einwand der Aufrechnung mit Forderungen aus Vorausleistungsbescheiden gegen einen insolventen Erschließungsträger zwecks Abwendung der Zwangsvollstreckung.

Die Antragstellerin wollte die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem rechtskräftigen Zahlungsurteil erreichen. Sie beauftragte einen Erschließungsträger mit der Erschließung eines Industrie- und Gewerbegebiets. In einem Berufungsurteil stellte das OVG die Nichtigkeit des Erschließungsvertrages fest und verurteilte die Antragstellerin zu Wertersatz aus öffentlich-rechtlichem Erstattungsanspruch. Dieses Urteil wurde am 27. November 2007 rechtskräftig. Schon im Mai 2006 wurde über das Vermögen des Erschließungsträgers das Insolvenzverfahren eröffnet. Jetziger Antragsgegner ist der Insolvenzverwalter. Im August 2006 stellte die Antragstellerin mit mehreren Vorausleistungsbescheiden gegenüber dem Antragsgegner Vorausleistungen für die Herstellung von Erschließungsanlagen fest und forderte Zahlung bis 30. September 2006. Erstmals am 31. Januar 2008 erklärte sie die Aufrechnung mit ihren Zahlungsansprüchen gegen den Erstattungsanspruch. Nun erhob die Antragstellerin mit Bescheid vom 01. Februar 2008 Säumniszuschläge wegen der Nichtzahlung der geforderten Vorausleistungen. Am 13. Februar 2008 zeigte der Antragsgegner dem Insolvenzgericht die Masseunzulänglichkeit an und betrieb in der Folgezeit die Zwangsvollstreckung gegen die Antragstellerin. Diese wehrte sich hiergegen mit der Vollstreckungsgegenklage und berief sich auf den Einwand der Aufrechnung sowohl mit den Ansprüchen aus den Vorleistungsbescheiden, sowie mit den Säumnisansprüchen. Das VG lehnte den Antrag auf Einstellung der Zwangsvollsteckung ab. Das OVG Berlin-Brandenburg bestätigte diese Entscheidung im Beschwerdeverfahren.

Das VG sei zu Recht davon ausgegangen, die Antragstellerin sei mit ihrem Aufrechnungseinwand nach § 767 Abs. 2 ZPO präkludiert. Bereits in der letzten mündlichen Verhandlung des Erstattungsverfahrens am 13. Dezember 2006 hätte die Antragstellerin die Aufrechnung erklären können und müssen.

Die Aufrechnungslage hätte bereits in diesem Zeitpunkt bestanden und nicht erst mit Eintritt der Rechtskraft am 27. November 2007, wie die Antragstellerin meinte. Sie führte hierzu aus, dass zu diesem Zeitpunkt das vorläufig vollstreckbare Urteil als Titel gemäß § 168 Abs. 1 Nr. 1 2. Alt. VwGO untergegangen und ein neuer Vollstreckungstitel im Sinne des § 168 Abs. 1 Nr. 1 1. Alt. VwGO entstanden sei. Die erst nach diesem Zeitpunkt erklärte Aufrechnung könne nur bis zum Entstehen dieses Titels am 27. November 2007 zurückreichen. Damit verkenne die Antragstellerin jedoch, dass die Hauptforderung des Antragsgegners, gegen die sie mit ihren Forderungen aus den Vorausleistungsbescheiden aufrechnet, nicht der Vollstreckungstitel sei, sondern der diesem zugrundeliegende materielle Anspruch. Das Titulieren dieses Anspruchs betreffe dessen Durchsetzbarkeit, nicht jedoch seinen materiellen Inhalt. Voraussetzung für die Aufrechnung sei gemäß § 387 BGB, dass die Gegenforderung, mit der aufgerechnet werde - hier also die Ansprüche aus den Vorausleistungsbescheiden - voll wirksam und fällig sein müssten und die Hauptforderung des Antragsgegners, gegen die aufgerechnet wird - also der Zahlungsanspruch - erfüllbar sein müsse. Der Antragstellerin müsse eine Leistung obliegen, die sie bewirken könne, auf das Vorliegen eines Vollstreckungstitels komme es hingegen nicht an.

Fordern konnte die Antragstellerin ihre Ansprüche ab dem 01.10.2006. Zum selben Zeitpunkt konnte sie auch die geltend gemachten Ansprüche des Erschließungsträgers erfüllen, womit im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 13. Dezember 2006 eine Aufrechnungslage bestanden habe.
Die an sich zulässige Aufrechnung mit den Säumniszuschlägen scheitere teilweise an Präklusionsvorschriften und Aufrechnungsverboten. Im Übrigen könne sie die Einstellung der Vollstreckung nicht rechtfertigen.

Die Aufrechnung mit den bis zum 13. Dezember 2006 verwirkten Säumniszuschlägen scheitere ebenfalls an der Präklusionswirkung des § 767 Abs. 2 ZPO.

Auch bei Berücksichtigung einer Aufrechnung mit den Säumniszuschlägen, welche zwischen der Berufungsverhandlung am 13. Dezember 2006 und der Anzeige der Masseunzulänglichkeit am 13. Februar 2008 entstanden seien, verbleibe ein erheblicher Forderungsbetrag zugunsten des Antragsgegners, der eine Einstellung der Vollstreckung nicht rechtfertige.

Schließlich sei eine Aufrechnung mit den ab 13. Februar 2008 verwirkten Säumniszuschlägen nicht möglich, weil die Vorleistungsbescheide ergangen seien, bevor die Masseunzulänglichkeit dem Gericht angezeigt wurde und damit – wenn sie überhaupt als Masseforderungen zu qualifizieren seien – zu den Altmasseverbindlichkeiten zählten. Damit unterlägen auch die Säumniszuschläge der entsprechenden Anwendung der §§ 94 ff. InsO. In casu scheitere die Aufrechnung dann an § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO.

OVG Berlin-Brandenburg vom 27.09.2011, Az. 10 S 48/10


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