(ip/RVR) Die Rückschlagsperre nach § 88 InsO kann nach Meinung des BGH auch durch einen zunächst unzulässigen Insolvenzantrag ausgelöst werden, solange dieser Antrag nur zur Eröffnung des Verfahrens führt.

Ein Gläubiger pfändete Ansprüche des Schuldners aus einer Lebensversicherung. Einen knappen Monat nach Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an die Drittschuldnerin stellte der Schuldner Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens, ohne zuvor das nach § 305 InsO vorgeschriebene Schuldenbereinigungsverfahren durchzuführen. Er teilte dem Insolvenzgericht mit, dieses werde nunmehr durchgeführt und das Eröffnungsverfahren solle einstweilen ausgesetzt werden. Nach Eröffnung des Verfahrens hob das Vollstreckungsgericht auf Antrag der eingesetzten Treuhänderin den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wegen § 88 InsO auf. Hiergegen wand sich der Gläubiger mit der sofortigen Beschwerde, welche zurückgewiesen wurde. Auch der Rechtsbeschwerde des Gläubigers war kein Erfolg beschieden.

Die vom Gläubiger erlangte Sicherung durch Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an die Drittschuldnerin sei mit Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens nach §§ 88, 312 Abs. 1 Satz 3 InsO unwirksam geworden.

Das erlangte Pfandrecht falle in die Dreimonatsfrist nach §§ 88, 312 Abs. 1 Satz 3 InsO. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass im Zeitpunkt des Eröffnungsantrags ein Schuldenbereinigungsverfahren nicht durchgeführt worden war und damit eine Zulässigkeitsvoraussetzung gefehlt hatte. Die Rückschlagsperre werde durch jeden Insolvenzantrag ausgelöst, welcher zur Eröffnung des Verfahrens führt, mag er auch zunächst unzulässig gewesen sein. Dies schließt der BGH aus § 139 Abs. 2 InsO, welcher auch bei der (verlängerten) Rückschlagsperre Anwendung finde. „Die Zulässigkeit eines als Anknüpfungspunkt für die Rückschlagsperre in Betracht kommenden Eröffnungsantrags ist danach nur dann gesondert zu prüfen, wenn das Insolvenzverfahren aufgrund eines anderen Antrags eröffnet wird. Soll die Rückschlagsperre hingegen an den Antrag geknüpft werden, welcher zur Eröffnung des Verfahrens geführt hat, erübrigt sich eine solche Prüfung, weil das Verfahren nur auf einen zulässigen Antrag eröffnet werden darf“ (Rz. 9 der Entscheidung).

Dies gelte auch bei Fehlen eines außergerichtlichen Schuldenbereinigungsversuchs. Die verlängerte Rückschlagsperre beruhe auf der Überlegung, das Schuldenbereinigungsverfahren vor dem Eröffnungsantrag vor störenden Vollstreckungszugriffen einzelner Gläubiger zu schützen. Ein solches Schutzbedürfnis bestehe zwar nicht, wenn das Schuldenbereinigungsverfahren dem Antrag gar nicht vorausgehe. Eine nicht hinnehmbare Missbrauchsmöglichkeit ergebe sich hieraus aber wegen der Rücknahmefiktion des § 305 Abs. 3 Satz 1 und 2 InsO nicht. Komme der Schuldner der Aufforderung des Gerichts nicht fristgerecht nach, den Nachweis über einen Schuldenbereinigungsversuch nachzureichen, komme es nicht zur Verfahrenseröffnung und Wirkung der Rückschlagsperre.

BGH vom 19.05.2011, Az. IX ZB 284/09


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