(ip/RVR) Ändert der Verfahrensbevollmächtigte des Insolvenzschuldners eigenmächtig das ausgefüllte und unterzeichnete Vermögensverzeichnis, so soll dies dem Schuldner nicht als eigenes Verschulden zugerechnet und deshalb die Restschuldbefreiung versagt werden.

Die Schuldnerin beantragte die Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens sowie die Erteilung der Restschuldbefreiung. Im Verlaufe des Verfahrens beantragte ein Gläubiger die Versagung der Restschuldbefreiung, weil die Schuldnerin im Vermögensverzeichnis gleich mehrere Posten nicht angegeben hätte, u. a. Mieteinkünfte, Unterhaltsansprüche und ein Leibgedinge. Wegen eines Verstoßes gegen § 290 Abs. 1 Nr. 6 InsO versagte daraufhin das Insolvenzgericht die Restschuldbefreiung. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin hiergegen war erfolgreich. Mittels Rechtsbeschwerde verfolgte der Gläubiger sein Begehren weiter und erreichte die Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und Zurückverweisung der Sache.

Das Beschwerdegericht meinte, die Schuldnerin habe nicht grob fahrlässig gehandelt. Die beiden einzigen Gläubiger seien im Bezug auf die unterlassenen Angaben bestens informiert gewesen. Die Zuhilfenahme eines Anwalts und einer Schuldnerberaterin zeige die Bemühung der Schuldnerin, die amtlichen Formulare richtig auszufüllen. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts sei außerdem nicht auszuschließen, dass die Bezeichnung des zunächst angegebenen Unterhaltsanspruchs eigenmächtig vom Verfahrensbevollmächtigten entfernt wurde.

Nach dem BGH könne bezüglich der verschwiegenen Mieteinnahmen und des Leibgedinges ein vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten nicht ausgeschlossen werden, weshalb der IX. Senat der Rechtsbeschwerde statt gab. Dass die Gläubiger „bestens informiert“ gewesen seien, können hieran nichts ändern, denn Kenntnisse der Gläubiger seien generell nicht geeignet, die Pflichten des Schuldners nach § 305 Abs. 1 Nr. 3 InsO zu ändern. Auch die Offenlegung der Mieteinnahmen und des Leibgedinges dem anwaltlichen Vertreter gegenüber schließe ein Verschulden nicht aus.

Die Verneinung von vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Verhalten hinsichtlich des Unterhaltsanspruchs sei hingegen zutreffend. Entgegen der Ansicht des Gläubigers könne ein Fehlverhalten des Verfahrensbevollmächtigten dem Schuldner nicht gem. §§ 4 InsO, 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet werden. Nach dem Grundsatz des § 1 S. 2 InsO, wonach nur dem redlichen Schuldner Restschuldbefreiung erteilt werden soll, könnten Versagungsgründe nur in der Person des Schuldners selbst entstehen. Ein Fehlverhalten des Bevollmächtigten ließe keinen Rückschluss auf die Unredlichkeit des Schuldners zu. „Eine Versagung der Restschuldbefreiung allein wegen des Fehlverhaltens der Hilfsperson kommt daher nicht in Betracht“ (Rz. 8 der Entscheidung).

Dies ändere nichts an der Verpflichtung des Schuldners, alle unterschriebenen Formulare auf Richtig- und Vollständigkeit hin zu überprüfen. Das ungeprüfte Unterschreiben eines von Dritten ausgefüllten oder noch auszufüllenden Formulars werde bei jeder Unrichtigkeit als eigenes Fehlverhalten dem Unterzeichner zugerechnet. Nur wenn – wie im vorliegenden Fall – die Angabe nachträglich in Unkenntnis des Unterzeichners wieder entfernt werde, könne dies dem Schuldner nicht als eigenes Verschulden zugerechnet werden.

BGH vom 10.02.2011, Az. IX ZB 250/08


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